Am Samstag, den 2. Mai 2020 findet eine bundesweite Online-Aktion unter dem Motto #LasstDieSauRaus statt, die zum Ziel hat, der Politik zu zeigen, dass die Gesellschaft die tierquälerische Sauenhaltung in kleinen Metallkäfigen – den Kastenständen – nicht mehr akzeptiert.

In allen Online-Medien gibt es bereits Tipps, wie man bei diesen Aktionen mitmachen kann. Infos finden sich z. B. auf den Homepages vieler Tierschutzverbände, z. B. Provieh e.V., der Deutschen Tier-Lobby, mensch fair tier, Vier Pfoten, peta oder dem Deutschen Tierschutzbund und ganz vielen mehr.

Nicht zuletzt durch jahrzehntelange Undercover-Aktionen (z. B. durch Deutsche Tierschutzbüro) sind die Zustände in der Tierhaltungsindustrie immer wieder ans Licht gekommen und so auch in den Fokus der Öffentlichkeit. Denn die Behörden haben meist beide Augen zugedrückt, wenn es um tierschutzwidrige Zustände in der Tierhaltungsindustrie ging.

An dieser Stelle möchten wir den juristischen Hintergrund der Kastenstandhaltung darstellen.

Ein Kastenstand ist ein Käfig aus Metall, gerade etwas größer als die Sau selbst. Sie wird dort so eng fixiert, dass sie weder vor- noch zurücklaufen oder sich umdrehen kann. Einzig hinlegen kann sie sich. Zu unterscheiden ist zwischen dem Kastenstand im sogenannten Deckzentrum und dem Kastenstand im sogenannten Abferkelbereich, auch „Ferkelschutzkorb“ genannt. Der Kastenstand im Deckbereich ist so eng, dass die Sau nicht einmal ihre Beine in Seitenlage ausstrecken kann, sondern sich nur mit eingeklemmten Beinen ablegen kann. Im sogenannten Abferkelbereich kann die Sau auch nicht laufen oder sich umdrehen. Dort kann sie aber noch liegend ihre Beine ausstrecken, und zwar in den Bereich, in dem sich auch ihre Ferkel befinden, die sie aber nicht umsorgen kann, weil sie ansonsten bewegungsunfähig ist.

Die Kastenstandhaltung hat sich im Zuge des Vormarschs der Massentierhaltung etabliert, weil viele Sauen möglichst unbeweglich auf ganz kleinem Raum gehalten werden konnten. Die Sauen wurden und werden bis heute wochenlang in diesen Kastenständen fixiert, damit sie sich nach dem Besamen und während dem Abferkeln und der Aufzucht der Ferkel nicht bewegen.

Da die Kastenstände so eng sind, dass die Sauen im Liegen ihre Beine nicht ausstrecken können, wurde bereits 1988 in der Vorgänger-Verordnung der heutigen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelt, dass ein Kastenstand so breit sein muss, dass eine Sau ihre Gliedmaßen ausstrecken können muss. Da man damals schon erkannt hat, dass ein sogenannter „Ferkelerzeuger“, der Sauen in Kastenständen hält, hierzu umbauen muss, hat man bestimmt, dass die Vorschrift der Verordnung erst ab dem Jahr 1992 verbindlich gelten soll. Jedoch hielt sich flächendeckend fast kein Ferkelerzeuger an diese Vorschrift. Die Kastenstände blieben so eng wie eh und je, obwohl die Sauen zuchtbedingt immer größer wurden. Und dann wurden die Kastenstände vergessen bzw. von den Tierschutz-Behörden, die die Ferkelerzeugerbetriebe kontrollieren, einfach nicht mehr überprüft oder Verstöße gegen die Vorschrift über die Breite der Kastenstände schlicht nicht verfolgt.

Bis im Jahr 2013 tatsächlich eine Tierschutz-Behörde gegenüber einem Ferkelerzeuger eine Verbreiterung der Kastenstände auf das seit 1992 geltende Maß – so breit, dass die Sauen in Seitenlage ihre Gliedmaßen ausstrecken können – anordnete. Gegen diese Anordnung wehrte sich der Ferkelerzeuger vor Gericht und verlor in allen Instanzen. Im Jahr 2016 sagte das Bundesverwaltungsgericht, dass die Vorschrift im Gesetz, nach der eine Sau ihre Gliedmaßen ausstrecken können muss, einzuhalten sei.

Gegen diese Entscheidung liefen die Ferkelerzeuger Sturm und beschwerten sich empört darüber, dass sie ja nun Umbauten vornehmen müssten, um die Kastenstände zu verbreitern. Und das, obwohl die Kastenstände schon seit nunmehr fast 30 Jahren hätten umgebaut sein müssen, sich aber keiner der Sauenhalter daran gehalten hat. Und die Politik will ihnen helfen. In einem Referentenentwurf aus dem BMEL ist vorgesehen, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung so geändert werden soll, dass der Passus, dass eine Sau ihre Beine ausstrecken können muss, einfach gestrichen werden soll. Danach dürften die Ferkelerzeuger folglich wieder ganz „legal“ Sauen in zu engen Kastenständen halten, nachdem sie nun fast 30 Jahre gegen eine Vorschrift verstoßen hatten, aber nie etwas zu befürchten hatten. Dieses Vorhaben ist aber natürlich nicht legal, sondern rechts- und sogar verfassungswidrig. Dies wurde bereits in verschiedenen Publikationen und Gutachten sehr genau dargelegt. So haben sich Bruhn , Felde , die DJGT , die Albert Schweitzer-Stifung und die Erna Graff-Stiftung oder mehrere Tierschutzorganisationen gemeinsam in Gutachten mit dem Referentenentwurf beschäftigt und dessen erhebliche Mängel aufgezeigt. Die Rechts- und Verfassungswidrigkeit hatte auch der Bundesrat bzw. der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz erkannt und zu dem ihm eingereichten Verordnungsentwurf (Drs. 587/19) des BMEL vom 7. November 2019 deutliche Empfehlungen erarbeitet, nach denen das Vorhaben des BMEL gegen Tierschutzrecht verstößt und die Verordnung so nicht geändert werden dürfe. Des Weiteren empfahl der Bundsrats-Ausschuss noch einige wichtige weitere Regelungen in die TierSchNutztV aufzunehmen, wie etwa das Verbot der dauerhaften Anbindehaltung von Milchvieh und die lange überfällige Überarbeitung der Haltungsvorgaben für Kälber, die ebenfalls tierschutzwidrig sind. Die von der DJGT verfasste Stellungnahme zu den für den Tierschutz sehr positiven Ausschussempfehlungen finden Sie hier und eine weitere Stellungnahme zu den von der Lobby stets vorgebrachten wirtschaftlichen Belangen hier .

Darauf haben wir mit Provieh zusammen auch die Amtscheffinen und Amtscheffs der zuständigen Länder-Ministerien in einem offenen Brief hingewiesen.

Am 15. Mai soll es im Plenum des Bundesrates eine Abstimmung zu dem Verordnungsentwurf geben. Dies war eigentlich schon im Februar geplant, am 14. Februar jedoch wurde dieser Tagesordnungspunkt kurzfristig von der Tagesordnung abgesetzt.

Rechtzeitig vor dem Termin wollen wir der Politik gemeinsam zeigen, dass wir es nicht akzeptieren, dass Vorschriften, die eigentlich zum Schutz der Tiere in das Recht aufgenommen wurden, erst jahrzehntelang sanktionslos einfach nicht beachtet werden und sobald dies auffällt und auch von deutschen Gerichten gerügt wird, dergestalt geändert werden soll, als dass diese Vorschriften dann einfach gestrichen werden.

Im Ergebnis ist nicht nur die Tatsache, dass das BMEL die Vorschrift, nach der Sauen ihre Beine ausstrecken können müssen, streichen will, ein grober Verstoß gegen höherrangiges Recht. Auch die durch die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung überhaupt vermeintliche Legitimierung der Kastenstände an sich ist bereits ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz (vgl. § 2 TierSchG) und auch gegen unser Grundgesetz, das dem Tierschutz in Artikel 20a einen sehr hohen Rang einräumt, den der Staat zu wahren und zu befördern hat. Eigentlich!

Aus Tierschutzgründen gehören Kastenstände abgeschafft – bitte helfen sie, dies der Politik zu vermitteln und werden Sie am 2. Mai 2020 online für die Tiere tätig.