Heute hat der Gerichtshof der Europäischen Union (C-336/19) entschieden, dass Mitgliedstaaten der Europäischen Union die betäubungslose Schlachtung für das religiöse Schächten verbieten können. „Die Mitgliedstaaten können zur Förderung des Tierwohls im Rahmen der rituellen Schlachtung, ohne gegen die in der Charta verankerten Grundrechte zu verstoßen, ein Verfahren einer Betäubung vorschreiben, die umkehrbar und nicht geeignet ist, den Tod des Tieres herbeizuführen.“ (Pressemitteilung des EuGH vom 17.12.2020)

In Belgien hatte die Region Flandern die Schlachtung ohne Betäubung im Jahr 2017 aus Tierschutzgründen verboten und stattdessen die reversible Betäubung für rituelle Schlachtvorgänge vorgesehen. Hiergegen klagten jüdische und muslimische Vereinigungen, da das Verbot sie in der Ausübung ihrer Religionsfreiheit einschränke.

Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 regelt, dass Tiere vor der Tötung grundsätzlich betäubt werden müssen. Abs. 4 der Vorschrift enthält eine Ausnahmeregelung für Schlachtmethoden, die durch bestimmte religiöse Riten vorgeschrieben sind. Gemäß Art. 26 Abs. 2 lit. c) der Verordnung können die EU-Staaten nationale Vorschriften erlassen, mit denen ein umfassenderer Schutz von Tieren sichergestellt werden soll.

Der EuGH hat nun entschieden, dass der sich aus der Betäubungspflicht ergebende Eingriff in die Religionsfreiheit, auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe und den Wesensgehalt von Art. 10 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union achte, da er nur einen Aspekt des Schächtens beeinträchtige, nicht jedoch das Schächten als solches verbiete.

Nach der Entscheidung des EuGH ist eine solche Betäubungspflicht verhältnismäßig, da sie ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Bedeutung des Tierschutzes und der Freiheit zur Religionsbekennung gewährleiste. Die Verpflichtung zur reversiblen Betäubung sei geeignet, das Wohlbefinden der Tiere zu fördern. Es handele sich um wissenschaftlichen Konsens, dass die Betäubung das beste Mittel sei, um das Leiden der Tiere zum Zeitpunkt der Tötung zu verringern. Weiter betont der EuGH eine zunehmende Sensibilisierung für die Problematik des Tierschutzes. Schließlich könnten die betroffenen Religionsangehörigen Fleisch, das von Tieren stamme, die nach ihren Vorstellungen geschächtet worden seien, aus einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat importieren.