Heute Abend um 21:45 Uhr wird es in der ARD in der Sendung Report Mainz u. a. um die gängige Betäubungsmethode von Schweinen mittels Kohlendioxid gehen. Diese Betäubungsmethode ist schlicht Tierquälerei.

Die Rechtslage gestaltet sich wie folgt:

Die Co2-Betäubung ist ganz klar ein Verstoß gegen das (deutsche) Tierschutzgesetz, das ist unseres Erachtens auch unstreitig.

Einschlägig für die Betäubung der Schweine im Schlachtprozess ist aber auch die (EU-) „Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung“  (EU-TierschlachtVO).

Wie der Name der EU-TierschlachtVO schon sagt („Verordnung (EG) Nr. 1099/2009 des Rates vom 24. September 2009 über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung“), ist das eine Verordnung, die den Schutz von Tieren bezweckt.

Diese Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.

Nach Art. 4 Abs. 1 EU-TierschlachtVO dürfen Tiere nur nach den von der VO erlaubten Verfahren betäubt werden: „Tiere werden nur nach einer Betäubung im Einklang mit den Verfahren und den speziellen Anforderungen in Bezug auf die Anwendung dieser Verfahren gemäß Anhang I getötet.“

Anhang I sieht u. a. das Betäubungsverfahren „Kohlendioxid in hoher Konzentration“ vor.

Das EU-Recht genießt einen sogenannten Anwendungsvorrang. Das heißt, es überlagert grundsätzlich das nationale Recht, setzt dieses quasi „außer Kraft“, wenn es entgegensteht und maßgeblich erlaubt ist dann das, was nach dem EU-Recht erlaubt ist.

Oft enthält eine EU-Verordnung zwar eine sogenannte „opting-up-Vorschrift“, die den Mitgliedstaaten ausdrücklich das Recht einräumt, für rein nationale Sachverhalte strengere Regelungen im Sinne besserer Regelungen für die Tiere zu erlassen. Unter solch einer opting-up-Vorschrift könnte dann jeder Mitgliedstaat für sich beispielsweise dieses besonders tierquälerische Betäubungsverfahren für seinen Hoheitsbereich verbieten. Solch eine bessere Regelung für die Tiere lässt die EU-TierschlachtVO mit Art. 26 Absatz 1 nur für bestimmte Bereiche zu:

„Die Mitgliedstaaten können nationale Vorschriften, mit denen ein umfassenderer Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung als in dieser Verordnung vorgesehen sichergestellt werden soll, in folgenden Bereichen erlassen:

  1. die Tötung von Tieren und damit zusammenhängende Tätigkeiten außerhalb eines Schlachthofs;
  2. die Schlachtung von Farmwild im Sinne von Anhang I Nummer 1.6 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 einschließlich von Rentieren und damit zusammenhängende Tätigkeiten;
  3. die Schlachtung von Tieren gemäß Artikel 4 Absatz 4 und damit zusammenhängende Tätigkeiten.“ [Schächten]

Die Betäubungsmethoden aber fallen nicht unter die oben genannte Opting-Up-Klausel des Art. 26 Abs. 1 EU-TierschlachtVO.

Für die Betäubungsmethoden gibt es eine herumgekehrte Klausel, eine sogenannte Deckelungsklausel: Art. 26 Abs. 3 EU-TierschlachtVO verbietet es den Mitgliedstaaten grundsätzlich, für ihr Nationalgebiet strengere Vorschriften zu erlassen bzw. macht diese von der Genehmigung der EU abhängig:

Art. 26 Abs. 3 Satz 1 der EU-TierschlachtVO besagt:

„Hält ein Mitgliedstaat es auf der Grundlage neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse für erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, mit denen in Bezug auf die Betäubungsverfahren ein umfassenderer Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung sichergestellt werden soll, so setzt er die Kommission über die vorgesehenen Maßnahmen in Kenntnis.“

Diese „Maßnahme“ kann zB ein nationales Verbot der CO-2 Betäubung sein.

Die Kommission hat dann einen Monat Zeit und prüft das, und dann genehmigt sie solch ein nationales Verbot, oder sie lehnt es ab.

Alternativ kann die EU natürlich auch eine Änderung der EU-TierschlachtVO anstreben und das Betäubungsverfahren darin – für alle anderen Mitgliedstaaten verbindlich – verbieten.

Siehe Art. 26 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EU-TierschlachtVO:

„Innerhalb eines Monats ab ihrer Unterrichtung muss die Kommission den in Artikel 25 Absatz 1 genannten Ausschuss mit dieser Frage befassen und die betreffenden nationalen Maßnahmen auf der Grundlage eines Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und gemäß dem Verfahren des Artikels 25 Absatz 2 genehmigen oder ablehnen.

Hält die Kommission dies für angezeigt, so kann sie auf der Grundlage der genehmigten nationalen Maßnahmen gemäß Artikel 4 Absatz 2 Änderungen von Anhang I vorschlagen.“

Deutschland müsste hier also folgendermaßen verfahren:

  • Es muss die EU-Kommission von seiner Absicht, die entsprechende Regelung (Verbot der CO2-Betäubung) nachträglich für sein Hoheitsgebiet zu erlassen, informieren; (meines Wissens gibt es eine solche Absicht aber nicht)
  • es muss seine Regelungsabsicht mit neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen begründen;
  • und es muss jedenfalls mit der endgültigen Inkraftsetzung der neuen Regelung warten, bis die EU-Kommission sie nach Befassung des Ausschusses für Lebensmittelkette und Tiergesundheit und auf der Grundlage eines EFSA-Gutachtens genehmigt hat.

Lehnt die EU dies ab, ist solch ein nationales Verbot nicht möglich.

So ist Deutschland bisher nicht vorgegangen, obwohl schon seit 2004 durch die EFSA wissenschaftlich ausgearbeitet ist, dass CO2-Betäubung Tierquälerei ist (vgl. EFSA Journal (2004), 45, Welfare aspects of the main systems of stunning and killing the main commercial species of animals, abrufbar unter https://efsa.onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.2903/j.efsa.2004.45).

Auch die EU selbst hätte aufgrund des EFSA-Gutachtens von 2004 tätig werden können. Sie wurde aber nicht tätig, sondern hat in dem Wissen, dass die CO-2-Betäubung schlimme Tierquälerei ist, die EU-TierschlachtVO im Jahr 2009 mit dieser Betäubungsmethode erlassen und betont in dem Erwägungsgrund Nummer 6 der EU-TierschlachtVO:

„Die Empfehlungen, den Einsatz von Kohlendioxid bei Schweinen sowie den Einsatz von Wasserbadbetäubern für Vögel bei Geflügel schrittweise einzustellen, werden nicht in diese Verordnung eingearbeitet, da die Folgenabschätzung ergeben hat, dass solch eine Empfehlung derzeit in der EU aus wirtschaftlicher Sicht nicht tragbar ist.“

So verstößt die CO2-Betäubung gegen das deutsche Tierschutzgesetz, aber im Prinzip auch gegen die EU-TierschlachtVO selbst, und zwar von Anfang an. Diese trägt den Titel: „Verordnung (…) über den Schutz von Tieren zum Zeitpunkt der Tötung“.

In der EU-TierschlachtVO finden sich folgende Vorschriften:

Art. 2 Buchstabe f): „„Betäubung“ [ist] jedes bewusst eingesetzte Verfahren, das ein Tier ohne Schmerzen in eine Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit versetzt, einschließlich jedes Verfahrens, das zum sofortigen Tod führt;“

Art. 3 Abs. 1: „Bei der Tötung und damit zusammenhängenden Tätigkeiten werden die Tiere von jedem vermeidbarem Schmerz, Stress und Leiden verschont.“

Die Betäubung ist eine mit der Tötung zusammenhängende Tätigkeit.

Im Prinzip führt diese Verordnung mit der Anführung dieses Betäubungsverfahrens als erlaubtes Verfahren sich selbst ad absurdum, weil die Co-2-Betäubung natürlich nichts mit dem Schutz von Tieren und einer Betäubung ohne Schmerzen und auch nichts mit der Verschonung von Tieren von jedem vermeidbaren Schmerz, Stress und Leiden zu tun hat.