In zahlreichen deutschen Landwirtschaftsbetrieben wird das Hormon Pregnant Mare Serum Genodotropin (PMSG) eingesetzt, zootechnisch oder auch zur Behandlung von Fruchtbarkeitsstörungen bei Schafen, Rindern, Schweinen und Kleintieren. In der Ferkel“produktion“ wird das PMSG-Präparat zur „Synchronisation“ der Zucht eingesetzt mit dem Ziel der besseren Planbarkeit in den Betriebsabläufen. Es wird Sauen nach dem Absetzen der Ferkel zur schnellen Brunststimulation und Zyklussteuerung verabreicht. Dadurch wird die zeitgleiche Brunst erreicht und Eisprung, Besamung und Geburt finden bei allen Tieren zum selben Zeitpunkt statt. Im Zeitraum von 3 Jahren wurden nach Schätzung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) etwa 6,4 Millionen Einzeldosen PMSG eingesetzt, 10-15 % der deutschen Sauen werden so behandelt (siehe agrarheute: Pferdeblut für die Schweinezucht: 5 Fakten zu Blutfarmen, 07. April 2017, https://www.agrarheute.com/land-leben/pferdeblut-fuer-schweinezucht-5-fakten-blutfarmen-533495).
Das Serum wird aus dem Blut trächtiger Tiere gewonnen, insbesondere aus dem von Pferdestuten. Die Gewinnung ist meist mit Schmerzen und Leiden verbunden. Die Blutabnahme schädigt die Stuten, ihnen wird für einen Zeitraum von ca. 11 Wochen ca. zehn Liter Blut abgenommen, was etwa einem Viertel ihres gesamten Blutes entspricht. Mit zunehmender Zeit leiden die Stuten unter Erschöpfung, Abmagerung, Fehlgeburten und Blutarmut, jährlich sterben ca. 30 % der Tiere. Die Fohlen werden in der Regel abgetrieben. Es ist von jährlich wohl 20.000 Abtreibungen auszugehen, in Trächtigkeitsphasen, in denen ein schonender Abbruch nicht mehr möglich ist (vergleiche dazu mehrere Berichte von Tierschutzorganisationen: Albert Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt: Pferdeblut für Schweinefleisch, 30. Juni 2017, 17.Oktober 2018, https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/hormonhandel-pferdeblut-fuer-schweinefleisch; Deutscher Tierschutzbund e. V.: Hormon aus Pferdeblut für die Schweinezucht, https://www.tierschutzbund.de/information/hintergrund/landwirtschaft/pferdeblut-fuer-die-schweinezucht/).
Produziert wird das Blut in den Niederlanden, Island, Südamerika und Deutschland selbst (nach Angaben des Bundestages in der Drs. 19/11226 vom 27. Juni 2019). So viel Leid, wie die Tiere unter den gegebenen Umständen ohnehin erleiden, herrschen auf den „Blutfarmen“ in Südamerika zusätzlich besonders und in höchstem Maße tierschutzwidrige Zustände. Wildpferde werden zur Blutabnahme brutal eingefangen und von den Mitarbeitern misshandelt. Die Fohlen werden durch Anritzen der Fruchtblase per Hand abgetrieben, wenn sie nicht schon an der Blutarmut ihres Muttertieres sterben. Unter ethischen Gesichtspunkten ist die Gewinnung des Hormons unter diesen Umständen nicht tragbar, es handelt sich vielmehr um eine Pervertierung medizinischer Möglichkeiten (vgl. dazu Pferde-Blutfarmen sollen unter Aufsicht, 26. Februar2016, https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/tierschutz-die-quaelerei-fuers-pferdeblut-soll-enden-1.2864121 und Albert Schweizer Stiftung für unsere Mitwelt: Pferdeblut für Schweinefleisch, 30. Juni 2017, 17.Oktober 2018, https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/hormonhandel-pferdeblut-fuer-schweinefleisch).
Abzulehnen ist diese Praxis alleine deshalb, weil keinerlei Notwendigkeit dafür besteht und sie lediglich wirtschaftlichen Zwecken dient. In landwirtschaftlichen Bio-Betrieben ist der Einsatz des PMSG untersagt, trotzdem gibt es auch dort Möglichkeiten, den Zyklus der „Nutz“tiere zu beeinflussen. Durch Licht- und Futterzyklen und Eberkontakt, es gibt aber auch 36 Arzneimittel, die alternativ verwendet werden können sowie synthetisch hergestellte Wirkstoffe (siehe BT-Drs. 18/12251 vom 5. Mai 2017).
Die Leiden, die mit Import und Einsatz des Hormons verbunden sind, sind der Politik bekannt. Eigenen Angaben zufolge hat das sich BMEL im Jahr 2016 diesbezüglich an die europäische Kommission gewandt und eine Kontrolle der ausländischen Betrieben erbeten. Auch mit den Ländern in Südamerika selbst wurde Kontakt aufgenommen, die Situation hat sich seitdem jedoch nicht geändert.
Wie in so vielen Tierschutzbelangen gibt es auch in diesem Fall eine Ausnahme zugunsten landwirtschaftlicher Betriebe. Die Leitlinien zu Gewinnung, Lagerung, Transport und Verabreichung von Blut und Blutprodukten im Veterinärbereich des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (abrufbar unter https://www.bltk.de/fileadmin/user_upload/Tieraerzte/Praxis/Leitlinien_blutprodukte.pdf) schließen die Blutspende bei trächtigen Pferden aus, um für das Spendertier die höchste Sicherheit und eine angemessene Qualität des Blutes zu gewährleisten. Der Gesundheit der Stuten soll Rechnung getragen werden. Diese Leitlinien gelten für die Gewinnung von PMSG gerade nicht, in diesem Bereich scheint das Leid der Tiere billigend in Kauf genommen zu werden.
Die Differenzierung zwischen einer Blutspende und der Blutabnahme für die Gewinnung des Pregnant Mare Serum Genodotropin zu Ungunsten der Pferde ist unter Achtung eines ethischen Tierschutzes nicht haltbar und es bedarf dringend eines Verbots der tierschutzwidrigen Gewinnung und Anwendung sowie Einfuhr von PMSG.
Die DJGT schlägt zur Umsetzung dieser Forderungen nachfolgende Ergänzungen des Tierschutzgesetzes vor:
- § 3 Nr. x TierSchG
[Es ist verboten,]
trächtigen Tiere, insbesondere Stuten, Blut abzunehmen, um daraus für den Einsatz zur Synchronisierung der Zucht landwirtschaftlicher Tiere das Hormon Pregnant Mare Serum Genodotropin zu gewinnen, soweit den trächtigen Tieren oder ihren Embryonen oder Föten hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden entstehen.
- § 3 Nr. y TierSchG
Es ist verboten, das Blut trächtiger Tiere, insbesondere Stuten, oder das hieraus gewonnene Hormon Pregnant Mare Serum Genodotropin für den Einsatz zur Synchronisierung der Zucht landwirtschaftlicher Tiere in den Geltungsbereich dieses Gesetzes zu verbringen, soweit das Blut oder das Hormon Pregnant Mare Serum Genodotropin unter Vornahme und durch tierschutzwidrige Handlungen gewonnen wurde.
Entgegen den Aussagen des Bundestages ist ein Importverbot für PMSG bzw. das Blut, aus dem es gewonnen wird, welches unter tierschutzwidrigen Umständen gewonnen wurde (dies ist ein Fakt und nicht diskutabel) rechtlich möglich. Zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Tieren ist ein Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit nach Artikel 62 Satz 1 AEUV gerechtfertigt und mit Artikel 28 ff AEUV vereinbar. Das General Agreement on Tariffs and Trade (GATT) regelt in Artikel 20, dass Ein- und Ausfuhrverbote zulässig sind soweit sie zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit von Tieren erlassen werden und keine willkürliche Diskriminierung enthalten, sondern verhältnismäßig sind. Diese Anforderungen erfüllt ein Verbot der Einfuhr von PMSG, denn die Gewinnung des Hormons ist mit starkem Leiden und Schmerzen für Hunderttausende Stuten und Fohlen verbunden und ohne Weiteres ist darauf verzichtbar, denn es stehen genügend Alternativen zur Verfügung. Der Tierschutz ist Staatsziel mit Verfassungsrang und muss durch den Gesetzgeber wirksam umgesetzt werden.
Ein aktuelles Gutachten des Freiburger Rechtsanwalts Schäffer im Auftrag der Animal Welfare Foundation hat die Blutentnahmen trächtiger Stuten in Deutschland auf dem Gestüt Meura zu Gunsten der Firma IDT Biologika GmbH bzw. der CEVA Santé Animale S. A. nach deutschem Recht bewertet. Das Gutachten kann hier abgerufen werden: https://www.animal-welfare-foundation.org/projekte/blutfarmen.