Immer noch werden viele Heimtiere alleine und in kleinen Käfigen nicht artgerecht gehalten. Sozial lebende Tiere leiden stark unter dem Fehlen von Artgenossen, der Mensch kann diese in keinem Fall ersetzen. Eine Ausnahme bilden hier beispielsweise Hamster, die alleine zu halten sind. Auch die gemeinsame Haltung einzelner Tiere unterschiedlicher Tierarten stellt für die Tiere keine Verbesserung dar, meist ist die Kommunikationsweise der Tierarten vollkommen unterschiedlich und daher artübergreifend schwer möglich.

2020 lebten nach Angaben des Industrieverbands Heimtierbedarf (IVH) e. V. (siehe https://www.ivh-online.de/der-verband/daten-fakten/anzahl-der-heimtiere-in-deutschland.html) 34,9 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel in deutschen Haushalten, sie verzeichneten einen Zuwachs von 1 Million Tiere zum Vorjahr. Das heißt, dass in 47 Prozent der Haushalte mindestens ein Tier lebt. Am beliebtesten sind dabei Katzen (15,7 Millionen Tiere), gefolgt von Hunden (10,7 Millionen Tiere), Kleintiere sind mit 5 Millionen Tieren auf Platz 3. Dies zeigt eindrücklich, wie viele Tiere unter einer nicht artgerechten Haltung leiden würden.

Oft schaffen sich Menschen Kleintiere an in der Annahme, dass ihre Haltung weniger aufwendig und weniger teuer ist als die etwa von Hunden oder Katzen. Dies ist ein gravierender Irrtum, denn auch kleine Tere benötigen medizinische Versorgung, eine große Menge (frisches) Futter und Zeitaufwand, um ihre Behausungen sauber und reinlich zu halten. Gesetzliche Vorschriften gibt es lediglich zur Haltung von Hunden, die als Anhaltspunkte für zukünftige Tierhalter dienen können. Bei kleinen Heimtieren sucht man danach bislang vergeblich, doch wären gesetzliche Vorschriften hier sehr wichtig: sie würden den Haltern Sicherheit geben, den Tieren ein artgerechtes Leben ermöglichen und eine nicht artgerechte Haltung leichter erkennbar sowie sanktionierbar machen.

Die Pflicht zur verhaltensgerechten Unterbringung sowie artgemäßen Ernährung und Pflege in § 2 TierSchG ist von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt. Es gibt einige unverbindliche Gutachten und Leitlinien (siehe nur Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren, BMEL, abrufbar unter https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/_Tiere/Tierschutz/HaltungSaeugetiere.pdf?__blob=publicationFile&v=7; Gutachten der Sachverständigengruppe über die tierschutzgerechte Haltung von Vögeln, abrufbar unter https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/haltung-kleinvoegel.html;jsessionid=67C03B46310AF8A626656A89BF0440A9.live851; TVT Merkblatt Nr. 157 – Heimtiere: Kaninchen, abrufbar unter https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=TVT-MB_157_Heimtiere-Kaninchen_09.2019.pdf&did=38; und weitere). Insbesondere auch bei Behörden bestehen in diesem Bereich Unsicherheiten, wann in eine Haltung zum Schutz der betroffenen Tiere eingegriffen werden muss – mangels konkreten Vorgaben wird das Tierschutzgesetz teilweise gar nicht vollzogen.

Die Behörden sowie auch die Privathalter brauchen dringend ausreichend konkrete, rechtsverbindliche und § 2 TierSchG entsprechende (!) Vorgaben, um auch rechtssicher beurteilen zu können, was mit einer Haltung dieser Tierart auf sie zukommt und nachvollziehen zu können, wann eine nicht artgerechte Haltung von Behörden bemängelt wird und was zu tun ist, um nachzubessern. Derartige Vorschriften könnten im Tierschutzgesetz wie folgt aussehen:

§ NEU TierSchG: Besondere Bestimmungen für das Halten von kleinen Heimtieren

(1) Als Heimtier gehaltene Tiere, die in der Regel kleiner sind als Katzen (kleine Heimtiere), müssen in Gehegen untergebracht sein, die eine ihrer Art, ihrer Körpergröße, ihrem Alter, ihrem gesundheitlichen Status und ihrer Gruppengröße entsprechende artgerechte Haltung ermöglichen.

(2) Die Einzelhaltung von sozial lebenden kleinen Heimtieren ist verboten. Bleibt ein einzelnes sozial lebendes kleines Heimtier nach dem Tod der Partnertiere oder des Partnertieres alleine zurück, ist es, je nach Verträglichkeit, mit einem oder mehreren neuen Partnertieren fachgerecht zu vergesellschaften.

(3) Der Umgang mit kleinen Heimtieren muss der jeweiligen Art entsprechend angemessen erfolgen. Insbesondere müssen hierbei artspezifische biologische und verhaltensbedingte Besonderheiten wie Flucht- und Angstverhalten, Nacht- oder Dämmerungsaktivität oder Winter- oder Kältestarre berücksichtigt werden.

(4) Wer ein kleines Heimtier hält, hat sicher zu stellen, dass

  1. der Tierart entsprechend regelmäßig gesundheitsunbedenkliches Nagematerial zur Verfügung steht und die artspezifischen Fütterungsempfehlungen eingehalten werden,
  2. pro Tier mindestens eine der Tierart entsprechende Versteckmöglichkeit sowie verhaltensgerechtes Beschäftigungsmaterial zur Verfügung steht,
  3. die Einstreu sowie das Inventar des Geheges gesundheitsunschädlich und der Tierart entsprechend gewählt ist und sauber und trocken gehalten wird,
  4. der Standort des Geheges so gewählt ist, dass die Tiere vor Zugluft, Lärm, Regen oder Schnee geschützt sind und dass das Gehege an mindestens zwei Seiten einen Sichtschutz vorweist,
  5. bei Gehegen mit Gittern der Gitterabstand so gewählt ist, dass die Tiere sich weder verletzen noch ausbrechen können,
  6. das Gehege ausreichend Frischluftzufuhr erhält und
  7. jedem kleinen Heimtier zu jeder Zeit frisches Trinkwasser ad libitum zur Verfügung steht.

(5) Bei zeitweiligem Freilauf außerhalb des Geheges muss eine Gesundheits- und Verletzungsgefährdung ausgeschlossen sein. Das Tier muss zu jeder Zeit in der Lage sein, sein Gehege ohne größere körperliche Anstrengung aufsuchen zu können bzw. im Freilauf ausreichend Unterschlupfmöglichkeit, Futter- und Trinkstellen zur Verfügung gestellt bekommen.

(6) Wer der Tierart entsprechend kleine Heimtiere in Außenhaltung hält, hat sicherzustellen, dass das Gehege aus- und einbruchssicher ist und die Futter- und Trinkstellen sowie geräumige Rückzugsmöglichkeiten, die für jedes Tier zur Verfügung stehen müssen, witterungsgeschützt sind. Das Gehege muss vergittert oder auf andere verletzungsungefährliche Weise geschlossen und ausreichend witterungs- und sichtschutzgesichert sein. Die Tiere müssen sich jederzeit in den Schatten und unter ein Dach auf einen trockenen und witterungsgeschützten Aufenthaltsplatz zurückziehen zu können.

(7) Um bei sozial lebenden kleinen Heimtieren eine unkontrollierte Vermehrung zu verhindern, sind nach Beratung mit dem behandelnden Tierarzt geschlechtsreife Tiere zu kastrieren oder Gruppen nach Geschlechtern je nach Verträglichkeit getrennt zu halten, soweit dies für die jeweilige Tierart artgerecht ist.

 (8) Aus medizinischer Indikation, nach tierärztlichen Eingriffen, während der Genesung und auf Ausstellungen, Messen oder bei ähnlichen Aktivitäten können kleine Heimtiere vorübergehend auch in geeigneten Käfigen oder Boxen gehalten werden (Käfigunterbringung). Die Käfigunterbringung ist zeitlich auf die Dauer der Krankheit, bei Veranstaltungen auf maximal einen Tag beschränkt. Es ist eine weiche und trockene Liegefläche und pro Tier mindestens eine Versteckmöglichkeit zur Verfügung zu stellen. Mindestens an zwei Seiten des Käfigs oder der Box ist für Sichtschutz zu sorgen.

(9) Gitterböden sind verboten.

(10) Bei kleinen Heimtieren in vorübergehender Einzelhaltung hat der Halter oder Betreuer vermeidbare Leiden der Tiere durch besondere Aufmerksamkeit und Bereitstellung von geeigneten Beschäftigungsmaterialien und Versteckmöglichkeiten zu verhindern.

Daneben werden konkrete einzelne Vorschriften für die Haltung der häufigsten Tierarten wie folgt vorgeschlagen, sie sind jeweils mit den Daten für das bestimmte Tier auszufüllen und an dieses anzupassen (beispielsweise unterschiedlich gestaltete Vorschriften für Kaninchen, Vögel, Fische, Reptilien und Amphibien):

§ NEU TierSchG

(1) [kleine Heimtiere z.B. Kaninchen] dürfen nur unter Einhaltung der Anforderungen der nachfolgenden Absätze 2 bis x gehalten werden.

(2) [Kleine Heimtiere] muss eine uneingeschränkt nutzbare Mindestbodenfläche von [x] m² je Tier für Gruppen bis zu 5 Tieren zur Verfügung stehen, für jedes weitere Tier [x] m² mehr. Das Gehege ist so zu strukturieren, dass jedem [kleinen Heimtier] eine ausreichend große und gut erreichbare Rückzugsmöglichkeit zur Verfügung steht und es anderen Tieren aus dem Weg gehen kann. Der Boden des Geheges darf nicht rutschig und glatt sein, sondern muss eine Struktur aufweisen, die es verhindert, dass [kleine Heimtiere] ausrutschen und sich verletzen können. Der Boden darf keinesfalls aus Gittern bestehen. Das Gehege muss eine Länge von mindestens [x] m haben, mindestens [x] cm tief und mindestens [x] cm hoch sein. Für jedes Tier muss eine erhöhte Sitzmöglichkeit zur Verfügung stehen, ausreichende Grabmöglichkeiten sowie artgemäße Beschäftigungsmöglichkeiten.

(3) Wer [kleine Heimtiere] hält, hat mindestens wöchentlich ihr Gewicht, Fell, Schneidezähne, Afterregion, Krallen und Fußsohlen zu kontrollieren. Verunreinigungen in Fell und Afterregion sind zu säubern. Die Zähne müssen mindestens [x-mal] jährlich von einem Tierarzt überprüft werden.

(4) [Kleine Heimtiere], die Auslauf außerhalb des Geheges erhalten, sind an das Handling durch den Menschen zu gewöhnen.

(5) Werden [kleine Heimtiere] in Außenhaltung gehalten, muss das Gehege einen frostfreien und wind- und witterungsgeschützten Aufenthaltsbereich enthalten sowie einen Untergrabschutz enthalten.

(6) [Kleinen Heimtieren] ist ständig [Raufutter, insbesondere heu bzw. blättriges, strukturiertes Grünfutter, und häufig, mindestens aber wöchentlich, geeignetes Nagematerial, z.B. Äste,] zur Verfügung zu stellen.

Aus den oben genannten Gründen sind rechtsverbindliche und durchsetzbare Regelungen für die Sicherstellung eines wirksamen Tierschutzes zentral. In Form von Rechtsverordnungen ist das Bundesministerium bislang im Heimtierbereich nicht tätig geworden. Die durch das Bundesministerium erlassenen Verordnungen zur Nutztierhaltung sind in vielen Punkten nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar, da sie nicht artgerechte Haltungen und die Zufügung von erheblichen und länger anhaltenden Schmerzen, Leiden und Schäden durch wirtschaftliche Haltungseinrichtungen erlauben (beispielsweise Kastenstände oder Käfighaltung von Kaninchen). Daher wird vorgeschlagen, die konkreten Vorgaben zur Haltung von Heimtieren im Tierschutzgesetz selbst zu regeln. Die oben vorgeschlagene Formulierung ist angelehnt an bereits bestehende Vorschläge für die Regulierung der Heimtierhaltung durch den Deutschen Tierschutzbund (https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Stellungnahmen/Heimtiere/Entwurf__Heimtierschutzverordnung.pdf) und die Landesbeauftragte für Tierschutz des Landes Baden-Württemberg (https://mlr.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mlr/intern/dateien/PDFs/SLT/2017_02_23_Tierschutz-Heimtierverordnung.pdf). Zugrunde gelegt werden muss entsprechenden Vorschriften das Bedarfsdeckungs- und Schadenvermeidungskonzept von Beat Tschanz, welches der Gesetzgeber zur Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe „artgemäß“ und „verhaltensgerecht“ fordert. Das Konzept besagt, dass die Verhaltensgerechtheit von Haltungssystemen gewährleistet ist, wenn das Tier dort auch diejenigen Verhaltensweisen voll ausleben kann, welche es unter naturnahen Bedingungen zeigt (so z.B. In einem großen, naturnahen Freigehege). Wird auch nur ein zentrales Verhaltenselement des Tieres vollkommen unmöglich gemacht, kann das Haltungssystem nicht als verhaltensgerecht angesehen werden und ist daher rechtswidrig, die Behörde muss in diesen Fällen schnellstmöglich eingreifen, insbesondere wenn dem Tier durch die Haltung Schmerzen und Leiden zugefügt werden. Ein Tier kann bereits leiden, wenn es über einen längeren Zeitraum ein artzentrales Verhalten nicht ausleben kann.