Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Tierschutzgesetzes, der am 24. Mai 2024 veröffentlicht wurde, ist ein deutlicher Rückschritt gegenüber früheren Entwürfen. Nach der Pressemitteilung des BMEL vom gleichen Tag verspricht Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: „Tieren in Deutschland geht es nach der Gesetzesänderung besser als vorher.“ Verbesserungen für die Tiere enthalten die geplanten Änderungen aber nur sehr wenige; an vielen Stellen wird mit dem Gesetz vielmehr versucht, tierschutzwidrige Zustände zu Lasten der Tiere zum Teil auf Jahrzehnte zu legalisieren – es kann keine Rede davon sein, dass es Tieren in Deutschland nach der Gesetzesänderung besser geht. So wird beispielsweise die Anbindehaltung von Rindern in bestimmten Fällen ausdrücklich erlaubt und damit eine Haltungspraxis in dem gleichen Gesetz erlaubt, das diese im Prinzip verbietet. Denn nach dem geltenden § 2 TierSchG müssen alle Tiere – auch die landwirtschaftlich genutzten Tiere – artgerecht gehalten, also u. a. verhaltensgerecht untergebracht werden. Die Anbindehaltung stellt einen diametralen Widerspruch zu der Vorgabe der verhaltensgerechten Unterbringung von Rindern dar, soll aber mit einem den Vorgaben des § 2 TierSchG widersprechenden Paragrafen ausdrücklich erlaubt werden.
Das darf in einem Gesetz nicht gemacht werden. Denn der Tierschutz ist seit über 20 Jahren ein sogenanntes Rechtsgut von Verfassungsrang und ist im Grundgesetz, das vor ein paar Tagen 75 Jahre alt geworden ist, verankert. Nach dem grundgesetzlichen Staatsziel Tierschutz darf es keine die Rechtslage der Tiere verschlechternden Gesetze geben.
Der Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes wird dem Staatsziel Tierschutz auch insofern nicht gerecht, als dass er den Schutz entgegen der verfassungsrechtlichen Bestimmung nicht jedem Tier zukommen lässt, sondern beispielsweise die Regelungen zum Online-Handel nur für Wirbeltiere gelten sollen und Schlachthöfe erst ab einer bestimmten Anzahl an Schlachtungen pro Jahr zu einer Videoüberwachung verpflichtet werden. Inkonsequenter, ausnahmenbasierter Tierschutz widerspricht der ethischen gesellschaftlichen Entwicklung und bevorteilt einmal wieder mehr die tiernutzende Wirtschaft.
Auch die Qualzucht, die insbesondere bei den Heimtieren neben den Tieren auch die Tierhalter belastet, wird in vielen Fällen faktisch für die nächsten 15 Jahre entgegen der bisherigen Rechtslage legalisiert. Das gilt zum Beispiel für die Zucht mit Elterntieren, die selbst bereits Qualzuchtmerkmale aufweisen, die zu Schäden, Leiden und Schmerzen führen.
Die Bundesregierung hat weitere wichtige und dringend erforderliche Verbesserungen für die Tiere, die ihr im Rahmen der Verbändeanhörung ausführlich und mit Formulierungsvorschlägen versehen vorgeschlagen wurden, nicht übernommen. Das gilt z. B. für das wichtige Exportverbot lebender sogenannter Nutztiere in Tierschutz-Hochrisikostaaten, in die insbesondere Rinder und Schafe auf wochenlangen LKW- und Schiffstransporten exportiert werden und dort unter großer Qual geschächtet werden. Sogar deutsche Obergerichte wie das Oberverwaltungsgericht Lüneburg fühlten sich bereits bemüßigt, in Urteilen ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck zu bringen, dass die Bundesregierung diesbezüglich völlig untätig geblieben ist.
Kleine Verbesserungen enthält der Gesetzentwurf z. B. für Kopffüßer und Zehnfußkrebse, unter die z. B. Kraken und Hummer fallen, die einen etwas besseren Schutz bekommen sollen, weil sie an einigen Stellen im Gesetz mit den z. T. stärker geschützten Wirbeltieren gleichgestellt werden.
Aber auch für Kopffüßer und Zehnfußkrebse ist der nunmehr vorgesehene Schutz noch lange nicht ausreichend, um diese intelligenten Tiere wirklich ausreichend vor den Qualen zu schützen, die ihnen Menschen zufügen, z. B., indem Hummer und Krebse aktuell immer noch lebend und ohne Betäubung in kochendes Wasser geworfen werden dürfen.