Wie uns inzwischen bestätigt wurde, hat das Land Hessen Ende letzten Jahres einen Erlass vom 18. Dezember 2023 aufgehoben, in dem „Hinweise zum tierschutzkonformen Umgang mit verletzten, hilflosen oder kranken Tieren invasiver heimischer Arten“ gegeben wurden. Hintergrund für den Erlass waren Unsicherheiten beim Umgang mit diesen Tieren.
Die Problematik:
Gemäß Artikel 7 Abs. 1 lit h) der EU-Verordnung zum Umgang mit invasiven Arten ist es verboten, invasive gebietsfremde Arten von unionsweiter Bedeutung vorsätzlich in die Umwelt freizusetzen. Zwar können die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 8 abweichend von den Beschränkungen des Artikel 7 Abs. 1 unter gewissen Voraussetzungen ein Genehmigungssystem für Abweichungen errichten, dies umfasst aber ausdrücklich nicht das Verbot des „Freisetzens in die Umwelt“ nach Artikel 7 Abs. 1 lit h). Von entscheidender Bedeutung ist an dieser Stelle, was unter einem „Freisetzen“ zu verstehen ist.
Lösungsansätze:
Im Rahmen einer Anfrage an die EU-Kommission hat diese im Jahr 2019 in Bezug auf ein Wiederfreisetzen im Rahmen von Kastrationsprogrammen ausdrücklich festgestellt: „Der Fang mit anschließender Sterilisierung/Kastration und Freisetzung in die Umwelt ist eine Methode, die die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen von Bewirtschaftungsmaßnahmen in Anwendung von Artikel 19 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 (1) in Betracht ziehen können. Eine solche Entscheidung sollte unter Berücksichtigung der Merkmale der einzelnen Arten in Bezug auf die spezifischen Umstände des Mitgliedstaats getroffen werden, einschließlich der potenziellen Auswirkungen sterilisierter Arten durch Prädation, Wettbewerb, Übertragung von Krankheiten usw.“ Damit hat die EU-Kommission zum Ausdruck gebracht, dass ein „Wiederfreisetzen“ eines Tieres, dass sich bereits zuvor in der Natur befunden hat, kein Freisetzen im Sinne der EU-Verordnung darstellt.
Auch in der Kommentierung zum Tierschutzgesetz von Hirt/Maisack/Moritz/Felde ist anerkannt, dass ein Tier nicht „in die Umwelt freigesetzt“ wird, wenn es sich schon kurze Zeit vorher dort befunden hat.
Der Erlass des hessischen Umweltministeriums vom 18. Dezember 2023:
Mit dem Erlass hatte das hessische Umweltministerium eine entsprechende Klarstellung getroffen, einschließlich einer Klärung weiterer rechtlicher Fragestellungen, die sich aus der parallelen Anwendbarkeit von Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes, des Tierschutzgesetzes und teilweise auch des Jagdgesetzes auf Tiere invasiver Arten ergeben, vorgenommen. Dabei wurde zu Recht darauf verwiesen, dass die EU-Verordnung die Mitgliedstaaten im Bereich der bereits weit verbreiteten und als invasiv gelisteten Arten im Rahmen von Managementmaßnahmen zwar verpflichtet, gegen diese vorzugehen, um die Populationen zu kontrollieren und Schäden möglichst zu minimieren. Darüber hinaus wurde zu recht betont, dass bei allen Maßnahmen gemäß Artikel 19 der EU-Verordnung auch deren Angemessenheit zu prüfen und Tierschutzaspekte zu berücksichtigen sind, sofern diese die Wirksamkeit des Managements nicht beeinträchtigen. Auf dieser Grundlage wurde festgestellt: „Wenn sich Personen vor dem Hintergrund des Tierschutzgedankens, bei dem das individuelle Tier als Mitgeschöpf betrachtet wird (§ 1 TierSchG), um hilfsbedürftige Tiere kümmern, geschieht dies nicht im Rahmen des Managements einer Population invasiver Arten. Hier muss eine Abwägung im Einzelfall und unter Berücksichtigung der gesamten Rahmenbedingungen erfolgen.“
Fazit:
Mit dieser Klarstellung wurde ein rechtskonformes Handeln in vielen Situationen im Alltag und in der behördlichen Vollzugspraxis ermöglicht. Auch wenn die Aufhebung des Erlasses nichts daran ändert, dass die in dem Erlass vertretene Auffassung weiter rechtskonform vertreten werden kann, werden die zuvor bestehenden Unsicherheiten wieder geschürt, da ein einfacher Verweis auf den Erlass nicht mehr möglich ist.
Zum Umgang mit invasiven Arten haben wir uns im letzten Jahr ausführlich in einer Stellungnahme geäußert. Dort wurde u.a. auch auf den nun aufgehobenen Erlass eingegangen.