Neben den Empfehlungen zur Änderung der Tierschutz-Transportverordnung und der Tierschutz-Zirkusverordnung, die deutliche Mängel in den Entwürfen des BMEL feststellen, gaben der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz („AV“) und der Ausschuss für Kulturpolitik („K“) am 11. Juni 2021 auch Empfehlungen zur Änderung der Tierschutz-Versuchstierverordnung und Versuchstiermeldeverordnung ab (Bundesrats-Drucksache 393/1/21 vom 11. Juni 2021).

Die Bundesregierung ist seit 2013, spätestens jedoch seit Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens im Jahr 2018 gefordert, im Tierversuchsrecht Übereinstimmung mit dem EU-Recht zu schaffen. Sämtliche Entwürfe jedoch sind nach wie vor ungenügend, wie die DJGT zusammen mit anderen Tierschutzverbänden in zahlreichen Stellungnahmen kritisiert (siehe nur https://djgt.de/2021/05/05/stellungnahme-zu-den-geplanten-aenderungen-im-tierversuchsrecht/).

Offenkundig möchte man vehement vermeiden, insbesondere für den Prozess der Tierversuchsgenehmigung höhere Hürden aufzubauen und dem Staatsziel Tierschutz tatsächlich gerecht zu werden. Dies stellen auch die Ausschüsse fest:

„Mit § 32 Absatz 4a und § 33 Absatz 1 Nummer 5 wird erneut versucht, einen Teil der Projektbeurteilung in die Hände des Antragstellers und anderer, von ihm beauftragter Personen zu legen, obwohl nach Artikel 36 und 38 die gesamte Projektbeurteilung von der zuständigen Behörde durchgeführt werden muss.“

(BR-Drs. 393/1/21 vom 11. Juni 2021, S. 31)

und:

„Die Bundesregierung bringt mit diesen beiden Vorschriften zum Ausdruck, dass sie den bisherigen, eklatant gegen Artikel 36 Absatz 2 und Artikel 38 Absatz 1 bis 3 der Richtlinie verstoßenden Rechtszustand – nämlich die bisherige Bindung der Behörden im Genehmigungsverfahren an die Darlegungen des Antragstellers und seiner Beauftragten zu den Genehmigungsvoraussetzungen der Unerlässlichkeit und der ethischen Vertretbarkeit und die Beschränkung der behördlichen Prüfungskompetenz auf eine bloße Plausibilitätskontrolle – trotz der Änderung von § 8 Absatz 1 Satz 2 TierSchG teilweise und so weit wie möglich weiterhin aufrechtzuerhalten gedenkt.“

(BR-Drs. 393/1/21 vom 11. Juni 2021, S. 32)

Selbst wenn die Bundesregierung Tierschutzverbänden kein Gehör schenken will, so ist ein solches Verhalten gegenüber der EU-Kommission und dem eigenen Ausschuss, in welchem auch die regierenden Parteien CDU und SPD vertreten sind, geradezu unhaltbar. Es wird ganz klar wider besseren Wissens gehandelt, dies stellen die Empfehlungen ein weiteres Mal deutlich fest.

Bereits zum Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes hatten die Ausschüsse im Februar 2021 klare Verbesserungsvorschläge gemacht, die notwendig sind, um die Richtlinie 2010/63/EU vollumfänglich in nationales Recht umzusetzen (BR-Drs. 47/1/21 vom 18. Februar 2021). Von diesen Empfehlungen hat der Bundesrat lediglich eine einzige in seine Stellungnahme übernommen, die Bundesregierung hat sie sämtlich abgelehnt. Sollte die Bundesregierung nicht wollen, dass die EU-Kommission in diesem Verfahren den Europäischen Gerichtshof anruft, was die logische Schlussfolgerung aus den nach wie vor unzureichenden Entwürfen wäre, sollten die erneuten Empfehlungen zur Verbesserung des Tierversuchsrecht im Bundesrat und Bundestag Beachtung finden.

Wie erwähnt sind insbesondere die Anforderungen an die Erteilung einer Tierversuchsgenehmigung nicht Unionsrechtskonform. Um nachzubessern, empfehlen die Ausschüsse folgende Formulierung für § 8 Abs. 1 S. 2 TierSchG:

„Die Genehmigung eines Versuchsvorhabens ist nach Prüfung durch die zuständige Behörde zu erteilen, wenn 1. aus wissenschaftlicher oder pädagogischer Sicht anhand des aktuellsten Stands der Forschung gerechtfertigt ist, dass…“.

(BR-Drs. 393/1/21 vom 11. Juni 2021, S. 19)

In der Tierschutz-Versuchstierverordnung soll die Regelung des Gesetzes präzisiert werden, die Formulierung der zugehörigen Paragraphen wären dementsprechend ähnlich zu fassen:

„[…wenn] aus wissenschaftlicher oder pädagogischer Sicht nach Prüfung durch die zuständige Behörde anhand des aktuellsten Stands der Forschung gerechtfertigt ist, dass …“

(BR-Drs. 393/1/21 vom 11. Juni 2021, S. 15)

Es wäre mit diesen Formulierungen endgültig klargestellt, dass allein der Behörde die vollständige Prüfungsbefugnis in der Projektbeurteilung gegeben ist und auch, dass die zugrunde liegenden Erkenntnisse sich jederzeit ändern können, dementsprechend jederzeit neue tierversuchsfreie Methoden entwickelt werden können, die die Unerlässlichkeit eines Tierversuchs aufheben.

Bemängelt haben die Verbände dazu, dass von der Möglichkeit, schwerst belastende Tierversuche vollständig zu verboten, nicht Gebrauch gemacht wird. Im Gegenteil versucht die Bundesregierung sogar, an diese Art Tierversuche kaum höhere Anforderungen für eine Genehmigung zu stellen, als an weniger belastende Tierversuche. Um zumindest die Ausführung solcher Tierversuche so stark einzuschränken, wie es die Richtlinie verlangt, wird folgende Formulierung von den Ausschüssen vorgeschlagen:

„Tierversuche an Wirbeltieren oder Kopffüßern, die bei den verwendeten Tieren zu voraussichtlich länger anhaltenden oder sich wiederholenden erheblichen Schmerzen oder Leiden führen, können nur in Ausnahmefällen genehmigt werden, wenn aufgrund außergewöhnlicher Umstände eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit für einen besonders hohen, den üblichen Rahmen signifikant übersteigenden Nutzen für wesentliche Bedürfnisse von Mensch oder Tier besteht.“

(BR-Drs. 393/1/21 vom 11. Juni 2021, S. 11-12)

Folgern lässt sich aus all dem, dass die Bundesregierung  offensichtlich vehement versucht, das Tierversuchsrecht so lasch wie eigentlich nicht mehr möglich zu gestalten und dabei taub ist gegenüber Empfehlungen und Forderungen aus Gesellschaft, Politik und sogar der EU. Sowohl am Entwurf zur Änderung des TierSchG als auch an den Entwürfen zur TierSchVersV und VersTierMeldV sind Nachbesserungen vorzunehmen, wofür die Formulierungsvorschläge und Begründungen der Ausschüsse eine gute Grundlage bilden.